RG20-Workshop zur GOÄneu vor vollem Saal
Am Tag der für die Radiologen tragischen Entscheidung auf dem parallel stattfindenden Bundesärztetag beleuchtete die Radiologengruppe 2020 in ihrem Workshop ,Ambulant ist Goldstandard – aber keiner will ihn bezahlen' Auswirkungen der GOÄneu und Zukunftsperspektiven.
©Sven Preusker
Unter dem Titel ,Ambulant ist Goldstandard – aber keiner will ihn bezahlen. Szenarien einer zukünftigen GOÄ – wo liegen die Fallstricke – wo die Potentiale' hat die Radiologengruppe 2020 (RG20) beim Röntgenkongress 2025 in Wiesbaden vor vollem Saal die Diskussion rund um die Gebührenordnung Ärzte (GOÄneu) sowie die Perspektiven und Möglichkeiten thematisiert. Die Veranstaltung fand am 29. Mai, dem Tag der der für die Radiologen tragischen Entscheidung zur GOÄ auf dem parallel stattfindenden Bundesärztetag statt. Vier hochkarätige Experten beleuchteten dabei strategisch-berufspolitische, medizinrechtliche, juristische und auch gesundheitsökonomische Aspekte.
Prof. Dr. Henrik Michaely, Vorstand Strategie und Politik der RG20, eröffnete den Workshop mit einem Einblick in die zunehmende GKV-Unterfinanzierung, die Wichtigkeit der PKV-Einnahmen für das Überleben gerade radiologischer Praxen und die Auswirkungen der GOÄneu, die laut Michaely mit einem Delta von minus 30-40 Prozent die Einnahmen der Praxen deutlich verschlechtern wird. Wichtig sei es jetzt, Kosten und Workflow zu optimieren, um die kommenden Verluste auszugleichen. Zusätzlich müssten die Praxen mehr Selbstzahler generieren. Die Lobbyarbeit werde man nun auf die politische Arena verschieben – denn die neue GOÄ kann nur mit einer Rechtsverordnung des BMG und der Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten.
©Sven Preusker
Prof. Bernd Halbe, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, beleuchtete daraufhin die juristischen Aspekte des beschlossenen GOÄ-Entwurfs. Dieser weiche erheblich von dem ab, was im Vorfeld der Novellierungsgespräche mit der Bundesärztekammer vereinbart worden sei, so Halbe. Die ,Umverteilung' der Gelder betreffe dabei insbesondere technische Leistungen im kardiologischen und radiologischen Bereich – in der Radiologie käme es zu Kürzungen von knapp 29 Prozent, in der Kardiologie gar zu Kürzungen von bis zu 60 Prozent. Halbe wies auf die Aussagen verschiedener ärztlicher Funktionäre hin, laut denen der private Anteil eine tragende Säule des Gesundheitssystems darstelle. Er betonte außerdem, dass der Bundesärztekammer (BÄK) nur die Rolle der Erstellung eines unverbindlichen Vorschlags für eine neue GOÄ zukäme, aber keine Vermittlerrolle – und sie keine Entscheidungserheblichkeit habe. Zuständig für die Regelung der Entgelte für ärztliche Tätigkeiten in einer Gebührenordnung sei ausschließlich die Bundesregierung. Der aktuelle Entwurf biete keinen Ausgleich widerstreitender Interessen – es sei aber eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, ansonsten sei die Novellierung nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Für den Juristen entsteht vielmehr der Eindruck, es handele sich um eine – möglicherweise durch politische Hintergründe motivierte – Umverteilung der Gelder, die insbesondere zu Lasten der Kardiologen, Radiologen sowie Strahlentherapeuten gereiche. Die Novellierung sehe vielmehr eine Förderung der sprechenden Medizin mit erheblichen Leistungssteigerungen – zum Nachteil der technischen Leistungen – vor. Aus juristischer Sicht ist die Neufassung der GOÄ für Halbe deshalb nicht von der Ermächtigungsnorm gedeckt. Die Honorargerechtigkeit sei nicht mehr gegeben, so Halbe, die deutliche Absenkung der privaten Leistungen lasse den (vermeintlichen) Kompensationsfaktor für die vertraglichen Leistungen entfallen. Auch im Lichte des Grundgesetzes seien erhebliche Verstöße festzustellen.
Der Gesundheitsökonom Prof. Günter Neubauer ging im Anschluss auf das den wachsenden Schwierigkeiten des deutschen Gesundheitssystems zugrundeliegende Fundamentalproblem ein – die Ausgaben steigen schneller als die Einnahmen. Neubauer ging detailliert auf die Gründe ein, die unter anderem in der demografischen Entwicklung und der Lohnentwicklung zu suchen sind. Für ihn ist ein Wechsel des Reformansatzes nötig – weg von der Erstattung der Kosten, hin zur Vergütung der erbrachten Leistungen. Er schlägt die Entwicklung eines harmonisierten Gesundheits-Preis-Index vor, der ein Entgelt für den Kapitaleinsatz, ein Arbeitsentgelt inklusive Sozialbeiträge entsprechend dem Angestelltenstatus und ein Entgelt für das unternehmerische Risiko enthält. Der Gesamtindex gebe Auskunft über den angemessenen Anpassungsfaktor für den nächsten 5-Jahres-Zeitraum und könne ist Basis für Preisverhandlungen sein, so der Gesundheitsökonom. Auch der EBM könnte dann reformiert werden, Neubauer hält auch eine Kostenbeteiligung der Patienten (mit Sozialklausel und Überforderungsklausel) für notwendig.
Neubauers Fazit: ohne adäquate Vergütung droht Unterversorgung. Er fordert, die ländliche Versorgung durch Digitalisierung zu verbessern und einen fairen Wettbewerb zwischen investoren- und eigentümerbasierten Betriebsformen zuzulassen. Eine defizitäre Vergütung behindere innovative Technologien, betonte der Gesundheitsökonom – und Digitalisierung und KI würden die Radiologie stark verändern. Hier sieht er die Chance, weiterhin wirtschaftlich agieren zu können und gleichzeitig Versorgung und Prävention zu verbessern.
Den Abschluss des Workshops machte Lukas Meindl, Geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Meindl und Partner Verrechnungsstelle. Er bot einen Ausblick auf Vergütung- und Abrechnungsszenarien der zukünftigen GOÄ und gab den Teilnehmern wertvolle Tipps für die Abrechnungspraxis und den Umgang mit zu erwartenden Einbußen mit.