KI soll Schlaganfall-Akutbehandlung verbessern

Ein Kooperationsprojekt von Neuromedizinern des Uniklinikums Leipzig und KI-Experten des Kompetenzzentrums für Künstliche Intelligenz ScaDS.AI Dresden/Leipzig soll die personalisierte Therapieplanung für Schlaganfallpatienten KI-unterstützt verbessern.

Gemeinsam gegen den Schlaganfall: Marie-Sophie von Braun, Dr. Kristin Marie Starke, Prof. Dorothee Saur und Jun.-Prof. Cindy Richter ( v.l.n.r.) und ihr interdisziplinäres Team entwickeln eine KI-gestützte Entscheidungshilfe für die Akutbehandlung. ©Rico Thumser/UKL


Je schneller die erforderlichen Maßnahmen bei einem Schlaganfall durchgeführt werden, desto größer ist die Chance, dass die Betroffenen ohne bleibende Schäden gesund werden können. Ein interdisziplinäres Team um Prof. Dorothee Saur, stellvertretende Direktorin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) hat ein KI-Modell entwickelt, das im Akutfall bei der Entscheidung für oder gegen eine invasive Therapie die behandelnden Ärzte unterstützen kann. Mit dem Modell werden dazu Bilddaten und klinische Informationen ausgewertet und verknüpft und auf dieser Basis eine patientenspezifische Vorhersage erstellt. Das vielversprechende Projekt, dessen Ergebnisse gerade in der Zeitschrift ‚Brain‘ veröffentlicht wurden, erhält nun eine Förderung von 250.000 Euro, um in die klinische Anwendung überführt zu werden.

Wenn Patienten mit dem Verdacht auf einen Schlaganfall in eine Klinik kommen, müssen innerhalb kurzer Zeit eine Diagnose gestellt und wichtige Entscheidungen gefällt werden: Liegt ein Gefäßverschluss im Gehirn vor? Welche Bereiche sind betroffen? Wie schwer ist die Schädigung und ist noch Hirngewebe zur retten? Und schließlich – welche Behandlung ist die beste?

Für zentrale Therapiemaßnahmen wie die Thrombektomie ist eine Behandlung in einem Schlaganfallzentrum erforderlich. Nicht alle Krankenhäuser verfügen über diese hochspezialisierten Einheiten, weshalb sich auch oft auch die Frage stellt, ob eine Verlegung nötig ist. Diese Entscheidungen würden oft unter Zeitdruck vor Ort getroffen –von Kollegen, die nicht in jedem Fall Schlaganfallspezialisten sind, so Junior-Professorin Cindy Richter vom Institut für Neuroradiologie am UKL. „Nicht jeder Schlaganfallpatient muss aber automatisch die Maximalbehandlung erhalten“, so die UKL-Neuroradiologin. Hier gelte es zu entscheiden, wer tatsächlich davon profitieren würde.

Um dafür eine verlässliche Basis zu schaffen, hat Saur zusammen mit Partnern aus dem Institut für Neuroradiologie sowie dem Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz (Center for Scalable Data Analytics and Artificial Intelligence, ScaDS.AI Dresden/Leipzig) an der Universität Leipzig das Deep-Learning-Modell als klinische Entscheidungsunterstützung entwickelt. Diese im Team um die Informatikerin Marie-Sophie von Braun entwickelte KI kann sowohl das Ausmaß des zu erwartenden Gewebeschadens als auch den klinischen Behandlungserfolg einer Thrombektomie mit hoher Genauigkeit vorhersagen. Dazu wertet die KI die Computertomographie-Bilddaten aus der Diagnostik aus und verknüpft diese mit klinischen Informationen. „Auf diese Weise erhalten wir eine patientenspezifische Einschätzung, welche Schäden zu erwarten sind und ob diese mit einer Intervention verhindert werden können“, so Saur. „Unser Ziel bei einem akuten ischämischen Schlaganfall ist es, wichtige Gehirnfunktionen so weit wie möglich zu erhalten. Das neue Modell hilft uns zu erkennen, wie dies im jeweils konkreten Fall am besten gelingen kann“. Das Modell wurde mit ca. 400 Fällen aus dem UKL trainiert und in zwei unabhängigen Datensätzen aus den Unikliniken Leipzig und Dresden getestet. Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass das Projekt nun seitens der Sächsischen Aufbaubank 250.000 Euro für die Weiterentwicklung zur klinischen Umsetzung erhalten hat. „Als Informatikerin begeistert es mich, wenn aus technisch anspruchsvollen Algorithmen reale Lösungen entstehen. Gerade die enge Zusammenarbeit mit der Medizin zeigt, wie viel gesellschaftlicher Nutzen in interdisziplinärer Forschung steckt“, so von Braun (ScaDS.AI Dresden/Leipzig).

Im nächsten Schritt sollen die Ergebnisse anhand weiterer Daten validiert werden – mit dem Ziel, die Anwendung zu lizensieren und anderen spezialisierten Teams für den klinischen Einsatz verfügbar zu machen, so Saur. Am Ende des Projektes soll eine Software stehen, die auch auf mobilen Endgeräten allen Akteuren bei der Schlaganfallversorgung Hilfestellungen für eine schnelle und sichere Entscheidung liefern kann. „Unsere Hoffnung ist, dass wir mittels KI in der Schlaganfallmedizin die Prozesse beschleunigen und gleichzeitig eine personalisierte Medizin ermöglichen, indem individuelle Konstellationen und potenzielle Behandlungsergebnisse genauer eingeschätzt werden können“, skizziert Saur ihre Vision. In drei bis fünf Jahren könne es laut der Neurologin so weit sein.

Die Publikation wurde unter dem Titel „Prediction of tissue and clinical thrombectomy outcome in acute ischaemic stroke using deep learning“ (von Braun et al.) in der Fachzeitschrift Brain online veröffentlicht.

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