Herz-CT als Kassenleistung – ein Grund zum Jubeln?
Die Computertomografie-Koronarangiografie ist bei Verdacht auf eine chronische koronare Herzkrankheit seit dem 1. Januar eine EBM-Leistung. Prof. Bernd Halbe bewertet in seinem Beitrag die Vergütungssituation und stellt die Handlungsoptionen dar.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Bernd Halbe, Köln/Berlin, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Honorarprofessor der Universität zu Köln
Die Computertomografie-Koronarangiografie ist bei Verdacht auf eine chronische koronare Herzkrankheit (CCTA) seit dem 1. Januar eine EBM-Leistung. Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat jetzt die Vergütung festgelegt. Zur Abrechnung dieser Untersuchung werden zwei neue Gebührenordnungspositionen (GOP) in den EBM aufgenommen (Abschnitt 34.3.7). Die GOP 34370 umfasst die CT-Koronarangiografie einschließlich der nativen computertomografischen Darstellung des Herzens mit Bestimmung des Koronarkalks. Sie ist mit 1285 Punkten (159,26 Euro) bewertet und kann einmal im Krankheitsfall berechnet werden. Hinzu kommt für die interdisziplinäre Fallkonferenz zur Entscheidung über das weitere Vorgehen bei unklaren oder komplexen Befunden nach erfolgter CT-Koronarangiografie noch die GOP 34371. Sie ist mit 128 Punkten (15,86 Euro) bewertet. Beide GOP werden zunächst extrabudgetär vergütet.
Es wird allerdings überwiegend eine deutlich bessere Vergütung gefordert. Grundlage hierfür sind die höheren Zeitaufwände für die Durchführung der Untersuchung sowie zusätzliche Kosten für die technische Ausstattung im Vergleich zu anderen computertomografischen Leistungen im EBM. Vor diesem Hintergrund wird die vorgesehene Vergütung nicht als angemessen im Sinne des § 72 Abs. 2 SGB V angesehen. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit Selektivverträge verschiedener Krankenkassen mit deutlich höheren Vergütungen abgeschlossen worden sind.
In diesem Kontext stellen sich nunmehr unterschiedliche Fragen:
1. Ist der Vertragsarzt verpflichtet, diese neuen Leistungen im Rahmen des EBM zu erbringen? Dies hängt von der Frage ab, ob die CCTA zum „Kernbereich“ des Faches Radiologie zu zählen ist oder nicht.
Maßgeblich ist also, wie der ,Kernbereich' des jeweiligen Fachgebietes zu definieren ist. Im Ergebnis hat das BSG den Begriff „wesentliche Leistungen des Fachgebiets“ nicht näher umschrieben. Umfasst sein sollen jedenfalls Leistungen, die vom GKV-Leistungskatalog umfasst sind und für die der EBM eine Gebührenposition vorsieht. Darüber hinaus soll die Beurteilung unter Berücksichtigung der fachlichen, persönlichen und apparativ-technischen Ausstattung des jeweiligen Arztes erfolgen (B 6 KA 54/00 R). Es wird deutlich, dass insoweit auf die nach dem medizinischen Standard wesentlichen Leistungen abgestellt wird, allerdings unter Berücksichtigung der jeweiligen Praxisverhältnisse. Zusammengefasst bedeutet die Rechtsprechung jedoch, dass nicht jede standardgemäße Leistung von jedem Vertragsarzt erbracht werden muss.
In der Entscheidung vom 14.03.2001 (Az.: B 6 KA 67/00 R) stellte das BSG klar, dass ein Vertragsarzt nicht dazu berechtigt ist, bestimmte Leistungen aus dem GKV-Katalog aus finanziellen Gründen aus seinem Leistungsangebot herauszustreichen und den Versicherten diese Leistung nur im Rahmen der privaten Liquidation anzubieten. Grundsätzlich ist die vertragsärztliche Vergütung in Form einer ,Mischkalkulation' gestaltet, sodass es möglich ist, dass die Erbringung gewisser Leistungen nicht unbedingt immer einen Gewinn mit sich bringt.
In einer weiteren Entscheidung (BSG, Urt. v. 05.11.2008 – B 6 K A 13/07 R) stellte das BSG fest, dass es sich bei den wesentlichen Leistungen nicht um das gesamte fachlich beherrschte medizinische Behandlungsfeld handele, sondern um das von der Zulassung umfasste Fachgebiet.
Zusammenfassend wird man bezogen auf die Computertomografie-Koronarangiografie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass sie nicht zu den wesentlichen Leistungen des Fachgebietes Radiologie zu zählen ist. Zum einen kann zwar nicht nur allgemein bestimmt werden, was ,wesentlich' ist, zum anderen aber dürfte schon aufgrund der Definition des Fachgebietes die CCTA nicht zum Kern des Fachgebietes zu zählen sein. Dies auch deshalb, weil sie erst jetzt als neue Leistung in den EBM aufgenommen worden ist, unter anderem auch, um an anderer Stelle Kosten einzusparen (vgl.: Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Methodenbewertung: „Mit der heutigen Entscheidung sollte bei den meisten Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine chronische koronare Herzkrankheit künftig eine CCTA zur Diagnose eingesetzt werden. Wir erwarten, dass damit die Häufigkeit diagnostischer Herzkatheterverfahren abnimmt.“)
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Vertragsarzt nicht verpflichtet werden kann, sich die für neue Leistungen erforderliche Medizintechnik anzuschaffen. Auch ist er nicht verpflichtet, alle neuen Behandlungsmöglichkeiten fachlich zu beherrschen. Es ist auch ausgeschlossen, dass der Radiologe alle Subspezialitäten seines Fachgebiets beherrscht und ausüben kann.
2. Kann der Vertragsarzt die CCTA komplett als privatärztliche Leistung gegenüber dem Patienten erbringen und abrechnen? Ist es insoweit von Bedeutung, ob die entsprechende Abrechnungsgenehmigung vorliegt?
Eine privatärztliche Abrechnung von Leistungen, die Gegenstand des EBM sind, ist gegenüber GKV-Patienten – von absoluten Ausnahmefällen abgesehen – nicht zulässig. Die Verpflichtung, im EBM abgebildete Leistungen im Rahmen des Sachleistungsprinzips zu erbringen kann nicht dadurch ausgehebelt werden, dass die erforderlichen Genehmigungen nicht beantragt werden.
Grundsätzlich gilt für Patienten in der Gesetzlichen Krankenversicherung das Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V). Vertragsärzte sind gemäß § 95 SGB V verpflichtet, die gesetzlich versicherten Patienten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu behandeln. Diese Leistungen müssen grundsätzlich über die jeweilige KV abgerechnet werden, soweit sie zum Leistungskatalog der GKV gehören. § 18 Abs. 8-10 BMV-Ä normiert abschließend die hiervon möglichen Ausnahmen.
Private Zahlungen der gesetzlich Versicherten sind dem Sachleistungsprinzip fremd. Ausnahmen vom Sachleistungsprinzip sollen daher nur in wenigen Fällen möglich sein, damit die Entscheidungsfreiheit des GKV-Patienten weitestgehend geschützt bleibt. Diesem Vorgehen liegt die Prämisse zugrunde, dass ein GKV-Patient, der von seinem Vertragsarzt eine privatärztliche Leistung empfohlen bekommt, sich möglicherweise dazu gezwungen sieht, die privatärztliche Leistung durchführen zu lassen, weil er befürchtet ansonsten eine qualitativ schlechtere Leistung zu erhalten oder gar den Zugang zu seinem Arzt zu verlieren (BeckOK SozR/Scholz BMV-Ä § 18 Rn. 1).
Gemäß § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 2 BMV-Ä darf der Vertragsarzt im Ausnahmefall eine Vergütung von dem (GKV)-Versicherten nur fordern, wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt. Hierbei muss die Initiative zur Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen vom GKV-Versicherten selbst ausgehen. Nach weit überwiegend vertretener Ansicht stellt § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 2 BMV-Ä ein gesetzliches Schriftformerfordernis dar, sodass eine dem Ausnahmetatbestand unterfallende Privatzahlung schriftlich mit dem Patienten zu vereinbaren ist.
Dies betrifft alle im EBM aufgezählten Leitungen. Raum für eine privatärztliche Leistungserbringung bietet sich also nur in Einzelfällen, in denen der Patient initiativ tätig wird und auf den Arzt zugeht. Diese Fälle dürften jedoch im Alltag selten bis nie vorkommen. Insgesamt zeichnet sich hier also eine besonders restriktive Handhabung ab. Eine Honorarzahlung nach der GOÄ von GKV-Patienten für diese EBM-Nr. lässt sich daher nicht über § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 2 BMV-Ä abbilden.
3. Genehmigungsvorbehalt/Anforderungen der Qualitätssicherung
Ärzte, die die CCTA künftig durchführen und nach EBM abrechnen wollen, benötigen eine Genehmigung ihrer Kassenärztlichen Vereinigung. Hierfür müssen sie ihre fachliche Qualifikation zur Befundung und Durchführung der CCTA nachweisen. Zudem macht der G-BA Vorgaben für die technische Durchführung und Auswertung dieser Diagnostik. Näheres zur Qualitätssicherung (QS) der CCTA-Diagnostik in der vertragsärztlichen Versorgung legen die KBV und der GKV-Spitzenverband in den nächsten Monaten in der QS-Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie fest (§ 135 Absatz 2 SGB V).
Es stellt sich deshalb abschließend noch die weitere Frage, ob die juristische Beurteilung sich ändert, wenn die erforderliche Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der CCTA nicht vorliegt, weil sie schlicht und einfach nicht beantragt wird, obwohl die persönlich/fachlichen und apparativen Voraussetzungen vorliegen.
Liegt die erforderliche Genehmigung nicht vor, dürfen die maßgeblichen Leistungen im Rahmen der Behandlung gesetzlich versicherter Personen im Rahmen der GKV nicht erbracht und nicht abgerechnet werden. Ebenfalls ist aber auch die Erbringung und Abrechnung auf GOÄ-Basis gegenüber GKV-Patienten ausgeschlossen, da dies eine reine, unzulässige Umgehung darstellen würde. Wenn die o.g. Voraussetzungen vorliegen und der Radiologe die CCTA erbringen kann und grundsätzlich auch will (nur nicht auf Basis eines EBM-Honorars), kann er dies nicht ausschließlich privatärztlich gegenüber GKV-Versicherten tun, da dies dann eine Umgehung der Pflicht zur Erbringung der Leistungen im Rahmen des vertragsärztlichen Versorgungsauftrags und des damit untrennbar verbundenen Sachleistungsprinzips darstellen würde. In diesem Kontext ist die oben unter Ziff. 1. Zitierte BSG-Rechtsprechung (14.03.2001, Az.: B 6 KA 67/00 R) nochmals zu erwähnen:
„Der Vertragsarzt ist nicht dazu berechtigt, bestimmte Leistungen aus dem GKV-Katalog aus finanziellen Gründen aus seinem Leistungsangebot herauszustreichen und den Versicherten diese Leistung nur im Rahmen der privaten Liquidation anzubieten.“
Insbesondere diese Situation soll nach der Rechtsprechung verhindert werden: der Vertragsarzt erbringt bestimmte Leistungen nicht im Rahmen seines vertragsärztlichen Versorgungsauftrages, bietet sie den gesetzlich Versicherten aber als Privatleistung an.
4. Kann der Vertragsarzt die CCTA über den EBM abrechnen und private Zuzahlungen des Patienten verlangen?
Zuzahlungen sieht das System der GKV strukturell, von gewissen Ausnahmen abgesehen, nicht vor. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 10 S. 1 BMV-Ä, wonach es dem Vertragsarzt untersagt ist, von GKV-Versicherten Zuzahlungen zu verlangen, außer im Falle von Massagen, Bädern und Krankengymnastik, die als Bestandteil der ärztlichen Behandlung erbracht werden.
Autor: Prof. Dr. Bernd Halbe, Köln/Berlin, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Honorarprofessor der Universität zu Köln